Geschichte der Evangelischen Pfarrgemeinde Mörbisch am See

 

Die  Reformation  breitete sich sehr schnell auch im Gebiet des späteren Habsburgerreiches aus. Schon aus dem Jahr 1519 wird von einem Franziskanermönch in Ödenburg berichtet, der sich der Lehre Martin Luthers zugewandt  und in seinem Sinn gepredigt hatte. 1524 wurden in Ödenburg Schriften Luthers öffentlich verbrannt, dennoch fand die Reformation breites Echo und schon bald stellte der Magistrat von Ödenburg einen evangelischen Prediger an. Als Stadtdorf von Ödenburg kam Mörbisch ebenfalls sehr früh in Berührung mit der Reformation. Auch die meisten anderen Dörfer rund um den See wandten sich der Reformation zu und hatten bald evangelische Prediger und  Schulmeister. Um 1580 waren bei 90 % der Bevölkerung Österreich-Ungarns evangelisch. Die evangelischen Gottesdienste wurden in den Ortskirchen gehalten.



Der erste evangelische Pfarrer in Mörbisch, über den mehr bekannt ist, Vitus Lantz, wirkte in Mörbisch von 1578 bis 1584. Er war vom Ödenburger Stadtrat zum Pfarrer von Mörbisch bestellt worden. Obwohl die Gegenreformation unter Rudolf II. von Habsburg bereits 1580 begann, konnte sich Ödenburg bis 1584 erfolgreich zur Wehr setzen und seine evangelischen Pfarrer – auch in den Stadtdörfern – behalten. So weiß man, dass die Bewohner der Nachbargemeinden im Jahr 1582 ihre Kinder nicht von dem wiedereingesetzten katholischen Priester taufen ließen, sondern sie „ghen Mörwisch zu den sektischen predikanten“ brachten. Im Jahr 1584 wurden die Ödenburger gezwungen, ihre evangelischen Prediger zu vertreiben und auch Vitus Lantz musste Mörbisch verlassen.

Die erste Unterbrechung der Gegenreformation brachte der Aufstand des evangelischen siebenbürgischen Fürsten Istvan Bocskai (1606). Auf dem Wiener Religionsfrieden von 1606 erhielt auch die Stadt Ödenburg Religionsfreiheit zugesichert und hatte bereits im selben Jahr wieder einen evangelischen Pfarrer, in Mörbisch dauerte es bis 1608. Vom Jahr 1606 an war bis zum Jahr 1674 uneingeschränkt evangelisches kirchliches Leben in Mörbisch möglich.

In der Zeit von 1608 – 1674 hatte Mörbisch 15 evangelische Pfarrer. Sie wurden vom Ödenburger Stadtrat angestellt, immer nur für jeweils ein Jahr. Danach konnte der Pfarrer der Gemeinde kündigen, ebenso die Gemeinde dem Pfarrer.




Istvan Bocskai, 1557-1606
Istvan Bocskai, 1557-1606
Kelch von 1615 aus der Evangelischen Pfarrgemeinde Mörbisch, NÖ Landesausstellung 2009
Kelch von 1615 aus der Evangelischen Pfarrgemeinde Mörbisch, NÖ Landesausstellung 2009

Bildung  war von Beginn an ein wichtiges Anliegen der Reformation. Martin Luther hatte schon 1524 die Ratsherren und Bürgermeister aufgefordert, christliche Schulen einzurichten und zu erhalten, Schulen, in denen die Kinder „mit Lust und Spiel“ lernen könnten, Knaben und Mädchen. Damit war eine Bewegung begonnen, deren Bedeutung man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Es gab zwar schon vor der Reformation Volksschulen, jedoch nur in Städten und Klöstern. Die  Dorfvolksschule  wurde erst durch die Reformation ins Leben gerufen. Zum ersten Mal konnten Eltern ihren Kindern eine Schulbildung ermöglichen. Auch Mörbisch hatte frühzeitig – schon seit 1597 -  ein Schulhaus, der erste namentlich bekannte evangelische Schulmeister wirkte ab 1645.


 

 

 

 

In der Schrift "An die Ratsherrn aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen" äußert Martin Luther 1524 ziemlich modern anmutende pädagogische Ansichten.

Stichworte: Unterricht auch für Mädchen, mit Lust und Freude lernen, durch  Beispiele lebensklug werden. Mit dieser Schrift verpflichtet er die Obrigkeiten, eine gute Ausbildung der Jugend zu garantieren.

 

 


Eine zweite Welle der Gegenreformation unter Leopold I. von Habsburg begann 1671. Leopold I. hatte sich zum Ziel gesetzt, den evangelischen Glauben in Ungarn ganz auszurotten. Pfarrer und Schulmeister wurden in Gerichtsverfahren vor die Wahl gestellt, ihren Glauben aufzugeben oder auszuwandern. Wer keines von beiden wollte, kam ins Gefängnis, manche als Rudersklaven auf Galeeren.

 

Im Jänner 1674 erschien der zuständige katholische Bischof Szechenyi aus Györ mit Gefolge in Mörbisch. Er weihte die Kirche, die die Mörbischer, nachdem sie evangelisch geworden waren, als ihre Kirche genutzt hatten, neu, und verbot dem evangelischen Pfarrer Andreas Fleischhacker, unter Androhung der Todesstrafe, sie je wieder zu betreten. Pfarrer Fleischhacker musste Mörbisch verlassen und das evangelische kirchliche Leben kam – zumindest nach außen hin – zum Erliegen.


Kaiser Leopold I., 1640-1705
Kaiser Leopold I., 1640-1705

Es folgte die Zeit der Unterdrückung des Evangelischen Glaubens (1674 –1781). Nach außen hin war Mörbisch ein katholischer Ort geworden und wurde vom Kaplan des Kroisbacher Pfarrers betreut, der auch alle Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse vornahm. Die Kinder besuchten den Unterricht beim katholischen Schulmeister. Nur in Ödenburg durften in dieser Zeit (ab 1681) evangelische Gottesdienste gehalten werden. Den aus den umliegenden Dörfern zuströmenden Evangelischen wurde aber die Teilnahme verboten, „weil der Auflauf einer Völkerwanderung glich“! Dennoch haben sicher auch Mörbischer diese Gottesdienste besucht. Darüber hinaus wurden in den Häusern Andachten abgehalten; Bibeln und alte Gesangbücher waren vorhanden. So ist der Glaube, obwohl mehr als hundert Jahre kein öffentlicher Gottesdienst stattfinden konnte und auch kein evangelischer Religionsunterricht möglich war, im Verborgenen weitergegeben worden - über Generationen hinweg (Geheimprotestantismus). Man kann nur staunen über den langen Atem, die große Hoffnung, den Mut und das Vertrauen unserer Vorfahren. Sie haben diese – für uns heute unglaublich lange - Zeit durchgestanden und sind ihrem Glauben treu geblieben. In diese Zeit fielen auch die Invasion durch die Türken (1683) sowie zwei Pestepidemien (1679 und 1713), wodurch die Einwohnerzahl drastisch abnahm.


...Da denManicher zuehörer ist  ihmer Wäschelnasser von der predigt gangen. Die weyler unter Freyen himmel hat Gottes worth angehörth, die widerwertigen, wen sye solches gesehen, haben sye ihnen die Faust voll angelacht, dass uns also geth... 

 So berichtet eine zeitgenössische Chronik über die unter freiem Himmel abgehaltenen evangelischen Gottesdienste in Ödenburg.     

Chronik Csanyi 27.1

Sopron/Ödenburg - Haus der Gräfin Eggenberg. Im Arkadenhof feierten die Evangelischen von 1674-1676 ihre Gottesdienste. Die Kanzel dieses Gottesdienstortes ist noch erhalten.
Sopron/Ödenburg - Haus der Gräfin Eggenberg. Im Arkadenhof feierten die Evangelischen von 1674-1676 ihre Gottesdienste. Die Kanzel dieses Gottesdienstortes ist noch erhalten.

Vorschrift, nach welcher sich die im Land ... heimlich verborgenen Evangelischen zu verhalten haben :

1.)    Sollen sie ihren Pfarrern, ...  alle Ehrerbietigkeit erweisen,   ihnen fein höflich und freundlich begegnen.

2.) Fleißig in ihrem pfarrlichen Gottesdienst erscheinen, und was in den „papistischen Predigten“ mit dem reinen Wort Gottes übereinstimmt, sich fleißig und gut merken.

3.) Zur Beichte können sie mit den Papisten auch gehen, weil ja auch die Papisten-Pfarrer zum Predigtamt gültig ordinieret, und die Vergebung der Sünden ankünden können.

4.) Sollen sie sich in acht nehmen, daß sie in Schenken und  Gasthäusern sich in keine Glaubensgespräche einlassen, viel weniger disputieren, weil es leicht die Papisten-Pfarrer erfahren könnten.

5.) Auch den Dienstboten nicht trauen, in ihrer Gegenwart nichts wider das Papsttum reden, oder ihnen evangelische Bücher vorlesen.

6.) Solange die Kinder in die Schule gehen, sollen sie ihnen nicht das mindeste von der evangelischen Lehre beibringen, weil sie durch ihren Unverstand und unbehutsame Reden sie leicht verraten könnten.

7.) Ich rate einem jeden, daß er Bilder im Zimmer habe, denn  werden keine in dem Haus gesehen, so schöpfen die Papisten allsogleich Argwohn. So darf man auch Rosenkränze und ihr so genanntes „Weichwasser“ wohl haben: es ist aber nicht notwendig, sich desselben zu gebrauchen.

8.) Werden euch von ungefähr Bücher weggenommen, so redet euch auf alle mögliche Weise aus, gebet vor, ihr habt nicht gewußt, daß sie im Haus wären, oder ihr hättet nicht gekannt, daß sie unrecht wären, oder ihr saget, ich könnt nicht lesen.

„Wer diese Punkte beobachtet, wird so leicht nicht entdeckt werden!“

Der Pfarrer von Ortenburg in Bayern sandte den Protestanten in Oberösterreich Instruktionen, wie sie sich zu verhalten hätten, um verborgen zu bleiben. Diese "Vorschrift" von 1756 ist ein Meisterstück diplomatischer Unterweisung.



Durch das Toleranzpatent Josephs II. im Jahr 1781 wurde der evangelische Glaube wieder geduldet. In Ortschaften in denen sich mindestens hundert evangelische Familien zusammenfanden, durften sie ein Bethaus ohne Turm und Glocken, sowie ein Pfarr- und Schulhaus bauen und Pfarrer und Lehrer anstellen. Obwohl Mörbisch 1781 nur ca. 600 Einwohner zählte, fanden sich mehr als hundert evangelische Familien (450 Gemeindeglieder). Mit dem Bau von Kirche und Schule wurde noch abgewartet, da die Finanzierung erst gesichert sein musste. Die erste Hauptsorge war die Berufung eines Pfarrers. Im Mai 1785 kam Pfarrer Friedrich Kühn nach Mörbisch, wo er am Pfingstsonntag, dem 15. Mai 1785, seinen ersten Gottesdienst hielt. Dieser Tag wird als Gründungstag der Evangelischen Pfarrgemeinde Mörbisch angesehen. Die Gottesdienste fanden in der Scheune des Gemeindehauses statt, die Glocken der katholischen Kirche läuteten auch zu den evangelischen Gottesdiensten und Begräbnissen – ein Zeichen früher Zusammenarbeit zwischen den Konfessionen!

In den Jahren 1786 bis 1790  wurde ein Pfarr- und Schulhaus gebaut, mit Wohnung für Pfarrer und Lehrer, sowie einem Lehrsaal für sechs Schulstufen. Der erste evangelische Lehrer begann 1790 mit dem Unterricht. Bis zum Jahr 1938 wurden Schule und Lehrer von der evangelischen Pfarrgemeinde erhalten.

Angesichts der geringen Einwohnerzahl war es eine große Leistung, dass außer diesem Bau in den Jahren 1791/92 auch der Bau der Kirche (in Form eines Bethauses) durchgeführt wurde. Die Gemeindeglieder hatten sich zu erheblichen finanziellen Leistungen verpflichtet. Am 16.9.1792 wurde der erste Gottesdienst in der Kirche gefeiert.

Da die erste, vermutlich billig gekaufte gebrauchte Orgel nicht mehr spielbar war, erhielt die Kirche im Jahr 1814 eine neue Orgel (Phillipp König, Ödenburg).


Toleranzpatent 1781, Titelseite
Toleranzpatent 1781, Titelseite
Inschrift in unserer Kirche mit Erbauungsjahr
Inschrift in unserer Kirche mit Erbauungsjahr

Im Jahr 1853 erhielt die Kirche erstmals zwei eigene Glocken, 1854 wurde unter Pfarrer Andreas Prinner der Bau des Kirchturms fertig gestellt und das Kircheninnere erneuert.

Die Zahl der Kinder hatte stark zugenommen. Das führte zur Anstellung von Hilfslehrern und machte eine Vergrößerung der Schule notwendig. Unter Pfarrer Jakob Breyer wurde 1892 das neue Schulgebäude neben der Kirche errichtet (heute Gemeindesaal). Es bestand aus zwei Lehrsälen für 6 Schulstufen.

Durch das Anlegen von Weingärten machte Pfarrer Breyer die Pfarrgemeinde Mörbisch zu einer der wirtschaftlich erfolgreichsten im ganzen Kirchendistrikt diesseits der Donau.

Leid und Not brachte der erste Weltkrieg über die Menschen. Eine Glocke, die abgeliefert werden musste, wurde im Jahr 1920 durch zwei neue ersetzt.


Karte von 1873
Karte von 1873
Alte Ansichtskarte
Alte Ansichtskarte
Klassenzimmer in der Evangelischen Schule mit Kindern der 2.und 3.Klasse - um 1930
Klassenzimmer in der Evangelischen Schule mit Kindern der 2.und 3.Klasse - um 1930

Durch den Anschluss des Burgenlandes an Österreich im Jahr 1921  verloren die evangelischen Gemeinden rund um Sopron ihren kirchlichen Mittelpunkt. Entsprechend der österreichischen Kirchenverfassung wurde erstmals eine Gemeindevertretung gewählt, in der alle Stände vertreten waren. Unter Pfarrer Johann Grössing wurde 1929 ein neues Pfarrhaus mit Wohnungen für Pfarrer und Lehrer gebaut.

Die Zeit des Austrofaschismus, in der die Politiker des „Österreichische Ständestaates“ mit ihrer Rede vom „katholischen Österreich“ die Evangelischen vor den Kopf stießen und mancherorts auch einschüchterten, führte in Mörbisch zur Belastung des Verhältnisses zwischen den Konfessionen und Parteien.

Viele haben sich in der Folge dem Nationalsozialismus zugewandt, die anfängliche Begeisterung über die neuen Machthaber nach dem Anschluss 1938 wich jedoch bald dem Schrecken. Die Roma-Siedlung in Mörbisch wurde zerstört, die Bewohner in Konzentrationslager deportiert, wo viele ermordet wurden. Der zweite Weltkrieg wurde begonnen, der unsägliches Leid über Länder und Menschen gebracht hat. Auch Mörbisch blieb von den Folgen des Krieges nicht verschont. Viele Ortskinder sind gefallen, Fliegerbomben haben Menschenleben vernichtet und an Häusern und Kirche Schaden angerichtet.

Roma-Siedlung, Mörbisch 1930er-Jahre
Roma-Siedlung, Mörbisch 1930er-Jahre

Nach der Befreiung vom Faschismus und dem Kriegsende 1945 wurde viel an Aufbauarbeit geleistet. Mörbisch entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zunehmend zu einer Festspiel- und Tourismusgemeinde. Die zwei im Krieg verloren gegangenen Glocken wurden 1948 erneuert, im Jahr 1953 wurde eine neue Orgel  (Max Dreher, Salzburg) gebaut.

 

Im Jahr 1967 wurde die unter Pfarrer Friedrich Treu durchgeführte Erweiterung der Kirche auf 300 bis 350 Sitzplätze abgeschlossen. Zum 175. Kirchweihfest erhielt die Kirche den Namen Christuskirche. 1978 wurde das Pfarrhaus renoviert, im Jahr 1985 wurde ein weiterer Orgelneubau erforderlich. Die Kirche erhielt eine neue Orgel mit 17 Registern (Gebrüder Krenn, Graz). Im Jahr 2000 erfolgten Umbau und erneute Renovierung des Pfarrhauses, die Sanierung von Kirchturm und Mauerwerk der Kirche wurde im Herbst 2004 zum 150. Jahr des Kirchturmbaus abgeschlossen. Die Renovierung des Gemeindesaales erfolgte in den Jahren 2009 (außen) und 2014 (innen).                                     Joachim Grössing

                                                            


unser Kirchenraum
unser Kirchenraum
unter dem Regenbogen
unter dem Regenbogen